Anders als es oft vermutet wird, ist der Gesichtsschleier nicht erst seit den letzten Jahren in Europa präsent.

Ein Blick nach Bosnien, Spanien, in die Türkei und in die Welt der Karmelitinnen öffnet uns die Augen für die Geschichte des Gesichtsschleiers in Europa.

Beginnen wir mit Bosnien, einem seit Langem mehrheitlich muslimischem Land in Europa. Hier gehörte der Gesichtsschleier (Zar oder Vala genannt) bei muslimischen Frauen zur insbesondere städtischen Tradition. Erst in den 1920er Jahren begann er allmählich zu verschwinden, eine Annäherung an den vermeintlich fortschrittlichen Westen. Das endgültige Aus kam dann nach 1945 mit dem kommunistischen Regime durch ein Verbot von 1950. Heute tragen nur wenige bosnische Musliminnen einen Gesichtsschleier.

Schauen wir nun in die Türkei, die ja teilweise zu Europa gehört, auch schon zur Zeit des Osmanischen Reiches. Auch hier gehörte der Gesichtsschleier für viele muslimische Frauen zum Alltag. Mit Atatürk begann hier das allmähliche Verschwinden aus der Öffentlichkeit. Im Prinzip war es die Türkei, die unter Atatürk das erste Burkaverbot in Europa erließ. Heute ist der Gesichtsschleier zwar nicht häufig, aber einige Frauen tragen ihn.

Es folgt Spanien, genauer die südspanische Provinz Cádiz. In der Region Vejer de la Frontera trugen christliche Frauen einen Gesichtsschleier, was allerdings 1939 durch Franco verboten wurde – das zweite Burkaverbot in Europa. Heute erinnert im Ort eine Statue an die verschleierten Frauen von Vejer de la Frontera.

Schauen wir in die Niederlande und nach Flandern. Hier trugen einige Frauen aus dem Adel bis in die 1930er Jahre den Huik, einen Schleier nach marokkanischem Vorbild (dem Haik), der auch das Gesicht verhüllte.

Der letzte Blick geht in die Welt der Nonnen vom Orden der Karmeliten, einem katholischen Orden. Bis in die 1970er Jahre trugen deren Nonnen außerhalb des Schleiers oder bei Treffen mit Außenstehenden im Kloster einen Gesichtsschleier. Heute ist diese Tradition weitgehend unbekannt, aber früher waren die Nonnen mit dem Gesichtsschleier ein vertrauter Anblick in der Umgebung ihrer Klöster.

Der Gesichtsschleier hat also in Europa eine lange Geschichte, wenn diese auch im 20. Jahrhundert weitgehend endete – teilweise aufgrund von Verboten –, bis muslimische Frauen diese gewissermaßen ur-europäische und teilweise auch im Christentum verortete Tradition wiederaufnahmen.


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