Ich bin, das mag einige überraschen, eine feministische Frau. Feminismus ist mir sehr wichtig.
Allerdings nicht der Zweite-Welle-Feminismus, wie er etwa von Alice Schwarzer oder der Zeitschrift „Emma“ vertreten wird. Ich bin eine Feministin der dritten Welle und stehe für einen intersektionalen und differenzierenden Feminismus.
Intersektionaler Feminismus bedeutet vereinfacht gesagt, dass wir wissen, dass Feminismus sich nicht nur auf unterdrückte Frauen konzentrieren kann, sondern verschiedene Unterdrückungsformen kombiniert gesehen und bekämpft werden müssen. Oft kommen verschiedene Formen von Marginalisierung und Unterdrückung zusammen: Geschlecht, Hautfarbe, Ethnie, Religion, Beruf usw. usf.
Differenzierender oder Differenzfeminismus bedeutet vereinfacht gesagt, dass man nicht alle Frauen über einen Kamm scheren kann. Wir alle kommen aus unterschiedlichen sozialen und historischen Situationen, und da muss differenziert werden.
Der Feminismus der zweiten Welle wollte, dass Frauen sich in die Normen und Rollen der Männer assimilieren. Dass Frauen im Prinzip – überspitzt formuliert – zu Männern werden. Das Ziel war Gleichstellung mit den Männern. Unsere Stellung in der Gesellschaft so weit verbessern, dass wir auf derselben Stufe stehen wie die Männer, dieselben Rechte haben, uns an ihren Normen orientieren. Das sehen viele moderne Feministinnen, zu denen auch ich gehöre, als Irrweg. Er hat Frauen nicht ernst genommen – schon gar nicht in unserer Verschiedenheit.
Wir Frauen müssen vielmehr lernen, uns nicht – wie es dem Feminismus der zweiten Welle entspricht – an männlichen Normen zu orientieren und Männern im Patriarchat gleich werden zu wollen, sondern unsere eigenen Wünsche, unsere eigenen Rollenerwartungen zu reflektieren.
Wir müssen erkennen, wo die Normen, Wünsche und Rollenerwartungen der Männer uns schaden. Als eine Frau, die wie ein Mann lebt, können wir nicht frei sein. Zu verschiedenen ist unsere historische und soziale Situation. Zu verschieden sind unsere Bedürfnisse.
Der Feminismus der zweiten Welle glaubt, wenn Frauen Kopftuch und Schleier ablegen und „frei“ wie die Männer leben, deren Wünsche und Rollenerwartungen teilen, dann sind sie frei. Und genau das ist ein fundamentaler Irrtum. Keine Frau ist frei, nur weil sie sich entschleiert. Und wenn ihr die Entschleierung aufgezwungen wird, dann ist sie erst recht nicht frei.
Als Feministin der dritten Welle glaube ich, dass der Schleier für bestimmte Frauen Freiheit bedeuten kann. Dass es sie in ihrer Autonomie und damit in ihrer Würde verletzt, sie zur Entschleierung zu zwingen. Dass wir sie damit ihrer Freiheit berauben.
Freiheit setzt voraus, dass wir uns frei entscheiden können. Der Zwang zum Ablegen des Schleiers gibt keine Freiheit, er nimmt Freiheit.
In meiner Situation als Frau erlebe ich meinen Schleier als Freiheit. Und ich weiß, dass es vielen anderen Frauen ebenso geht. Ich stehe für einen Feminismus, der das akzeptiert und Frauen nicht entmündigt, nicht bevormundet.
Ich muss übrigens nicht erklären, warum ich den Schleier als Freiheit erlebe. Warum ich mich zu meinem Leben als gläubige Frau befreit fühle, weil ich mich verhülle. Meine entsprechende Aussage, dass dem so ist, muss genügen. Das gehört zu den Eigenschaften der Selbstbestimmung, dass wir uns für unsere Entscheidung nicht rechtfertigen müssen.