Ich denke, ich werde ab jetzt regelmäßig meine Erlebnisse aufschreiben, die ich so habe, wenn ich mit dem Nikab unterwegs bin. Also, hier ist der erste Bericht: Mit dem Nikab unterwegs.
Gestern war ich mit dem Nikab unterwegs – mit S- und U-Bahn zum Flughafen Stuttgart und wieder zurück. Ich mag alles, was mit Fliegen zu tun hat. Darum bin ich bisweilen gerne am Flughafen, auf der Besucherterrasse. Habe Reinhard Mays Über den Wolken im Kopf, träume vom Fliegen. Eigentlich wollte ich in die Wilhelma, Stuttgarts Zoo, aber ich habe mich dann kurzfristig für den Airport entschieden.
Und gestern war solch ein Tag, an dem es mit Dschilbab, Nikab und Handschuhen eher unangenehm war.
Mehr als einmal hat jemand das Smartphone gezückt, um mich zu fotografieren. Was geht in solchen Leuten bloß vor sich? Einmal war es eine kleine Gruppe von jungen Leuten, die am Bahnsteig alle ihre Smartphones in meine Richtung gehalten haben. Außerdem gab es einige unschöne Kommentare von verschiedenen Leuten. Und weil mir Männer gegenübersaßen, die den Blick nicht abwenden konnten, habe ich schließlich meine Augen mit einer zusätzlichen Stofflage meines Schleiers bedeckt. Ich kann dann immer noch ausreichend sehen, aber meine Augen sind dann von außen nicht mehr zu sehen. Es hat an sehr sonnigen Tagen übrigens den Vorteil, die Helligkeit zu reduzieren. Ich komme mit hellem Licht nicht gut zurecht, bekomme dann leicht Kopfschmerzen. Aber es ist eben auch ein Schutz gegen unerwünschte Blicke von Männern.
Auf der Rückfahrt saß ich eine Weile neben einer jungen Frau, die vom Outfit her ziemlich genau das Gegenteil von mir war: recht freizügig gekleidet, stark geschminkt, sehr lange Fingernägel. Der ihr direkt und mir damit schräg gegenüber sitzende Mann hat uns beide ziemlich genervt, weil er unser beider Aussehen kommentiert hat. Als er sie auf ihre langen, lackierten Nägel ansprach, hat sie ziemlich kühl geantwortet, dass sie damit gut Männern das Gesicht zerkratzen kann. Die Botschaft kam an, danach war er still. Mädel, ich hätte Dir sofort ein Alibi gegeben.
Das sind so Tage, an denen ich mir Frauenabteile in Bussen und Bahnen wünsche. Ich bin keine Männerhasserin, aber an manchen Tagen wünsche ich mir eine Welt ohne Männer. Oder zumindest die Möglichkeit, eine möglichst große Distanz zwischen sie und mich zu bringen. Ja, nicht alle Männer.
Das sind Tage, an denen ich froh bin, Dschilbab und Nikab zu tragen. Er erspart mir Kommentare über meinen Körper. Anzügliche Blicke. Anmachsprüche. Flirtversuche. Catcalling. Leider nicht Manspreading, um ein weiteres Problem zu benennen. Warum müssen Männer oft so viel Platz einnehmen? Ein einzelner Mann hat gleich einen ganzen 4er zu 120 % in Beschlag genommen, sodass dort niemand mehr sitzen wollte.
Nun ja, ich war froh über zwei Stunden am Flughafen (obwohl sehr wenig Flugverkehr war). Ich habe auf der Hinfahrt etwas Schönes gesehen, womit Gott mich unter meinem Nikab zum Strahlen gebracht hat (sorry, keine Details).
Aber ebenso manche unangenehme Zeitgenossen, über die ich mich ein wenig geärgert habe.