„Hier gilt das Vermummungsverbot!“ höre ich regelmäßig.

Stimmt es? Gibt es ein Vermummungsverbot? Und wie ist das mit Nikab-Trägerinnen?

Die erste Frage ist mit einem „Ja“ zu beantworten. Seit der Kohl-Ära gibt es in Deutschland ein Vermummungsverbot.

Die zweite Frage lässt sich mit einem „Es gilt nicht für Nikab-Trägerinnen“ beantworten.

Schauen wir uns das Vermummungsverbot näher an.

Das Vermummungsverbot

Das Vermummungsverbot steht in § 17a Versammlungsgesetz. Ich zitiere:

(1) Es ist verboten, bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel, Aufzügen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel oder auf dem Weg dorthin Schutzwaffen oder Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren, mit sich zu führen.

(2) Es ist auch verboten,

1. an derartigen Veranstaltungen in einer Aufmachung, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, teilzunehmen oder den Weg zu derartigen Veranstaltungen in einer solchen Aufmachung zurückzulegen.

2. bei derartigen Veranstaltungen oder auf dem Weg dorthin Gegenstände mit sich zu führen, die geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, die Feststellung der Identität zu verhindern.

(3) Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn es sich um Veranstaltungen im Sinne des § 17 handelt. Die zuständige Behörde kann weitere Ausnahmen von den Verboten der Absätze 1 und 2 zulassen, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht zu besorgen ist.

(4) Die zuständige Behörde kann zur Durchsetzung der Verbote der Absätze 1 und 2 Anordnungen treffen. Sie kann insbesondere Personen, die diesen Verboten zuwiderhandeln, von der Veranstaltung ausschließen.

Nach Absatz 3 gilt das Verbot gemäß § 17 VersG grundsätzlich nicht für Gottesdienste unter freiem Himmel, kirchliche Prozessionen, Bittgänge und Wallfahrten, gewöhnliche Leichenbegängnisse, Züge von Hochzeitsgesellschaften und hergebrachte Volksfeste. Es gibt also eine Ausnahme, die sich auf Gottesdienste, also die Ausübung der Religion bezieht.

Das Vermummungsverbot gilt also nur...

  1. bei öffentlichen Versammlungen, Aufzügen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel oder auf dem Weg dorthin
  2. wenn die Gegenstände geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, die Feststellung der Identität zu verhindern

Nikab außerhalb von Versammlungen

Sich in der Öffentlichkeit zu bewegen, egal ob allein oder in einer Gruppe, fällt nicht unter das Versammlungsrecht. Das Versammlungsrecht greift bei Kundgebungen und Demonstrationen, hier außerdem bei Aufzügen und Veranstaltungen (etwa einer Sportveranstaltung, einem Gottesdienst, einer Prozession und dergleichen mehr).

Damit könnten wir eigentlich zum Ende kommen, aber manchmal gehen wir Nikab-Trägerinnen ja nicht einfach nur einkaufen, spazieren oder wandern, sondern nehmen an Versammlungen teil. Bei Versammlungen unter freiem Himmel greift dann § 17a VersG.

Nikab bei Versammlungen unter freiem Himmel

Ein Nikab ist zwar wie vom Gesetz gefordert geeignet, die Feststellung der Identität zu verhindern, aber es ist grundsätzlich zu bestreiten, dass er den Umständen nach dazu bestimmt ist, dies zu tun.

Den Umständen nach ist er, von gläubigen Frauen getragen, dazu bestimmt, die Religion auszuüben – und ist damit von Artikel 4 Grundgesetz geschützt, der die ungestörte Ausübung dieses Grundrechts garantiert. Das ist ein Abwehrrecht gegen alle staatliche Eingriffe in die Religionsfreiheit, das auch auf Versammlungen zwingend zu beachten ist.

Weiterhin kann „die zuständige Behörde (…) weitere Ausnahmen von den Verboten der Absätze 1 und 2 zulassen, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht zu besorgen ist“. So muss die Behörde gegebenenfalls darlegen, welcher konkrete Anlass zu einer solchen Sorge besteht. Ein lediglich abstrakter Grund reicht nicht aus.

Zudem müssen die Behörden belegen, dass der Nikab in diesem Fall nicht aus religiösen Gründen getragen wird, sondern dazu bestimmt ist, die Feststellung der Identität zu verhindern.

Und da die Religionsfreiheit nach Artikel 4 Grundgesetz ein schrankenloses Grundrecht ohne Gesetzesvorbehalt ist, reicht § 17a VersG allein nicht aus, um die Religionsfreiheit einzuschränken. Vielmehr muss eine Kollision von Grundrechten vorliegen, um diesen Eingriff zu rechtfertigen. Und dieser Eingriff muss legitim, geeignet, erforderlich und angemessen sein.

Ein Grundrecht für alle

Übrigens ist Artikel 4 Grundgesetz kein Bürgerrecht, das nur für deutsche Staatsangehörige gilt, sondern ein Menschenrecht, das für alle Menschen gilt.

Also dürfen Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit an dieser Stelle nicht diskriminiert werden.

Auch darf der Staat keine Religion diskriminieren, etwa Muslime.

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